„Du hast gesagt, es wird besser!!“
Das Knöpfchen ist sauer, wütend, traurig und enttäuscht. Sie wurde angemotzt, weil sie noch lautstark so viel von ihrem Tag berichtete. Weil ihr Bewegungsdrang so dermaßen drückte, dass nur das rumrennen um den Tisch Erleichterung brachte. Das Problem dabei, all das macht das Aushalten der Unzufriedenheit des Babyjungen noch um einiges schwieriger. Am Ende des Tages sind kaum noch Nerven übrig, ist der Akku leer und die Anspannung groß. Besonders diese Stunde zwischen 5 und 6 ist jeden Tag wieder, ein immenser Kraftakt.
Und dann platzt es aus mir heraus: „kannst du dich nicht mal runterfahren?“ Unfair, zu viel verlangt und verletzend, denn natürlich ist nichts an ihrem Verhalten verkehrt, es liegt nicht an ihr ?.
„Aber du hast es versprochen!“
Aber du hast es versprochen, sagt sie. Ja, das hatte ich. Vor 11 Monaten, als der Kleine jeden Tag stundenlang weinte. Vor 6 Monaten, als das Schreien durch stetiges Nörgeln abgelöst wurde, weil schlafen uncool war, weil der Kleine Kopf so viel wollte, der Körper aber noch nicht leisten konnte ?. Vor ein paar Wochen, als der Knirps noch mobiler wurde und von nun an, die ganze Wohnung ständig ins (noch) größere Chaos stürzt ?. Ich hatte es versprochen, dem Knöpfchen, den anderen Kindern und nicht zuletzt mir selbst. Immer wieder … mantraartig.
Es wird nicht besser, nur anders.
Manchmal macht mir das Angst. Ich sorge mich um die Beziehung zu den anderen Kindern. Der Kleine fordert so viel Kraft, dass kaum etwas übrig bleibt. 3 Stunden Schlaf am Stück sind Luxus, den es nur selten gibt. Meist ist es weniger, seit über einem Jahr ?. Aktuell auch gern mal 2 Stunden mitten in der Nacht wach ?. Das Windeln und Anziehen gleicht einem Nahkampf, die Einschlafbegleitung einer nicht enden wollenden Diskussion, mit den immer gleichen Argumenten ? auf beiden Seiten ?.
Gemeinsame Mahlzeiten, die uns immer heilig waren, als Ort des Austauschs, sind angespannt, weil der Kleine es kaum ein paar Minuten in seinem Stühlchen aushält, am liebsten auf den Tisch klettern möchte, oder auch auf den Schoß, runter vom Schoß spielt, im Minutentakt. Entspannte Gespräche somit ein Ding der Unmöglichkeit.
Ja – Umgebung
Die so schön dahergeredete „JA- Umgebung“ für Kleinkinder ist in unserem Haus nicht ganz so leicht umsetzbar. Wenn dann mal jemand die Tür offen lässt, bückst der Kleine mucksmäuschenstill aus und findet sich kurze Zeit später, in der oberen Etage wieder ?. Gelegentlich kommt der Gedanke auf, dass wir mit seiner Namensgebung gleich ein Dauerabbo bei den Schutzengeln gebucht haben. Denn bislang ist das Wobbelboard knapp an ihm vorbei gerutscht, der Glaskrug vom Esstisch neben ihm auf dem Boden gelandet und der Topf mit dem Milchreis… ach das darf man alles gar nicht erzählen ?.
Diese 2 Minuten
Und manchmal, wenn ich von einem Kurs oder einer Beratung komme, gibt es da diesen kurzen Moment, diese 2 Minuten. Da überlege ich, am Haus vorbei zu fahren, dem Gewusel zu entfliehen, für ein paar Tage oder auch eine Woche ?. Ausschlafen, Bücher lesen, Gedanken und Gespräche mal tatsächlich zu Ende führen. Welch wunderschöne Vorstellung. 2 Minuten lang!
Wir sind platt, dauerangespannt und gestresst. Ein kleines Wunder, dass der Gatte und ich immer noch (meistens?) im selben Team spielen, denn jegliche Form von Qualitytime zwischen uns, ist seit Monaten Mangelware ?. Der Alltag mit 4 Kindern ist gut gefüllt, gepaart mit den eigenen Ansprüchen ans „gute“ Eltern sein, bleibt so einiges auf der Strecke. Der Haushalt ist da noch das geringste Problem ?.
Es ist so verdammt anstrengend!
Das schluchzende Häufchen in meinem Arm beruhigt sich langsam. „Ich hab ihn ja wirklich sehr lieb, Mama… weißt du, aber es ist so VERDAMMT anstrengend!“ Ohja, Schatz… ich versteh dich so gut. Jegliches Einfordern von Verständnis, beschwichtigen oder negieren ihrer Gefühle wäre in dem Moment vollkommen fehl am Platz! Ich stimme ihr vielmehr zu, bedanke mich, dass sie immer so viel Geduld hat und entschuldige mich fürs Anrantzen.
Und ich verspreche ihr etwas: Ich verspreche NICHT, dass es besser wird, aber das es ab sofort eine regelmäßige Stunde Mama- Knöpfchen- Zeit geben wird, nur wir zwei ?. Und mir selbst verspreche ich, still und leise ? nur noch EINMAL, dass es besser wird, irgendwann ☺️.
Nachtrag
Dann sitz ich Sonntag früh um halb 8 am Frühstückstisch, hab mich schon das 1.mal mit dem Gatten so richtig unschön gezofft ? (die Nacht war sehr kurz, sehr anstrengend, sehr unschön) und denke über die Kommentare und Äußerungen im Social Media nach. Das Ereignis in Solingen treibt die Gemüter hoch… Lichterketten für die Kinder… ich lese: wie kann man nur… die armen Kinder … warum hat sie sich keine Hilfe geholt… ein einziger Kommentar (den ich las): was muss wohl in ihr vorgegangen sein … aber dann auch ganz schnell: warum schafft man sich denn so viele Kinder an, wenn man nicht klar kommt ?.
Auch ich durfte mir schon einiges anhören, wenn ich dann mal äußerte, wie anstrengend es gerade ist. Und ja, ich erhielt auch viel Verständnis und Zuspruch. Leider wiegen diese Kommentare in Richtung „selbst geschaffenes Leid“ viel schwerer ?. Und sie lassen einen verstummen, man frisst immer mehr in sich hinein und verzweifelt Stück für Stück…. alle anderen kriegen es ja auch hin ?
Welch Arroganz und Selbstgefälligkeit zeigen hier viele Menschen. Ich weiß zu wenig, um mir ein Urteil zu erlauben, aber eines bin ich mir sicher: das ist ihr ganz bestimmt nicht leicht gefallen. Was muss diese Frau nur durchgemacht haben, um dies als einzigen Ausweg zu sehen ?. Und ich frage mich, wie oft hat sie wohl vorher gezeigt, dass sie überfordert ist? … gesagt, dass sie nicht mehr kann?… Um Hilfe gebeten?
Wie oft wohl??
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